Dienstag, 2. Oktober 2007

Was dann noch geschah...

Der Abschied

Unsere letzten Tage in Sibirien verbringen wir auf der legendenträchtigen Insel Olchon, etwa 250 km nordöstlich von Irkutsk. Der Weg dorthin ist beschwerlich, die Straße schlecht, aber wir haben schon zuviel Gutes über diese Insel, die "Perle des Baikal", gehört, um uns von unserem Vorhaben wieder abbringen zu lassen. Und tatsächlich strahlt dieser Ort vom ersten Moment an eine besondere Ruhe und Gelassenheit aus. Die Insel, die bis vor einem Jahr noch nicht einmal an die Stromversorgung angeschlossen war, scheint in einem längst vergangenen Zeitalter zu verharren. Zugänglich ist sie nur über eine kleine Fähre und ihre launischen Fährleute, und auch dann nur, solange es der Baikal und sein Eis zulassen.


Die Menschen hier haben sich dem Fortschritt verweigert oder ihn verschlafen. Ihrem Glück hat dies indes keinen Abbruch getan, ganz im Gegenteil, dieser Ort scheint die Insel der Glückseligen zu sein. Voller Begeisterung schwärmen die Menschen, Einheimische wie Zugereiste, von der Atmosphäre, von der Magie dieses besonderen Fleckchens Erde.Wir schauen uns auf der Insel um und begreifen schnell warum dies ein heiliger Ort für die einheimischen Burjaten und viele, viele immer wiederkehrende Besucher ist. Der berühmte Schamanenfelsen bei Chuschir bietet ein Panorama, dem man sich einfach stunden-, tagelang hingeben könnte.





Hier treffen wir auf Sergej, Pfarrergehilfe, Touristenführer, Fahrer, Organisator und die gute Seele des kleinen Fischerdorfes Chuschir. Er zeigt uns die kleine orthodoxe Kirche des Ortes und macht uns mit Nikita bekannt, ehemaliger Tischtennisweltmeister und heute Betreiber eines kleinen, spartanischen und unglaublich liebenswürdigen Homestead in Chuschir.
Bei Nikita treffen sich die wenigen Touris der Insel, viele auf der Durchreise - und doch bleiben viele länger als geplant. So wie die beiden äußerst sympathischen Dresdner Ines und Rico, die bei Nikita gegen kleines Geld tatkräftig mit anpacken und sich auf Olchon pudelwohl fühlen, oder Irina aus Irkutsk, die es mindestens vier mal im Jahr auf die Insel zieht.


Wir fahren weiter nordwärts, suchen für die letzten Tage unserer Reise Ruhe und Abgeschiedenheit, um die vielen Eindrücke der vergangene Monate noch einmal Revue passieren zu lassen und unsere Gedanken zu ordnen. Wir werden fündig in einer kleinen, malerischen Bucht, deren Frieden nur durch sporadische Besuche einer kleinen Kuhherde und einiger Fischerleute unterbrochen wird. Schnell schließen wir Freundschaft mit den Fischern und handeln einen Deal aus, der sich für uns als wunderbarer Glücksfall erweisen sollte. Wir bewachen tagsüber ihr kleines Boot und werden dafür am täglich frischen Fang beteiligt.






Der glasklare See bietet beinahe alles, was wir zum Leben brauchen, er ist für uns Trinkwasservorrat, Waschbecken, Dusche und Schwimmbecken.



Der Fisch, den wir in immer größerer Zahl von den Fischern bekommen, wird dank unserer besonderen Gewürzmischung zum absoluten kulinarischen Höhepunkt unserer Reise. Beinahe jeden Abend grillen wir 15-20 Omuls auf unserem Lagerfeuer. Und das in einer immer größer werdenden Runde...





Inzwischen sind neben Irina, Rico, Ines und den Fischern auch Stefan und Katharina zu Stammgästen in unserer Lagerfeuerrunde geworden. Die beiden Wahlberliner sind mit ihren Motorrädern auf Weltreise, nutzen diese Gelegenheit für ein außergewöhnliches und ganz wunderbares Projekt: Unter dem Motto "Welche Kraft in Kindern steckt" befragen sie Kinder auf der ganzen Welt nach ihren Hoffnungen, Wünschen, Träumen. Die Beiden sind uns von Beginn an sehr sympathisch. Ihre Besuche bei uns und unsere gemeinsamen Lagerfeuerabende mit nostalgischem Ostrock strapazieren heftig unsere Lachmuskeln und werden zu unvergesslichen Erinnerungen für uns. Wir wünschen den Beiden alle Ausdauer und Begeisterung fuer ihr tolles Projekt und empfehlen allen Menschen mit weltoffenem Herz und Freude an abenteuerlichen Reisen den Besuch ihrer Website unter http://www.gradwanderer.de/ .

Nach 10 Tagen auf Olchon nehmen wir schweren Herzens Abschied von dieser wunderbaren Insel , von Sibirien und den Menschen, die uns in kurzer Zeit so sehr ans Herz gewachsen sind. Wir fahren zurück nach Irkutsk, wo wir nach kurzem Aufenthalt in den Flieger nach Kaliningrad steigen werden.




Die Heimfahrt

Den letzten Tag vor unserem Abflug verbringen wir noch einmal mit Irina, die mit uns die schönsten Ecken und Restaurants von Irkutsk erkundet und uns damit auch eine Rückkehr nach Irkutsk erneut schmackhaft macht. Wir sitzen zusammen noch bis spät in die Nacht in einem Pub, bevor wir uns auf den Weg zum Flughafen machen, der doch eher einem provinziellen Bahnhof gleicht, um dort die letzen Stunden der kurzen Nacht auf unseren Radkartons zu schlafen.





Nach 10.000km problemlosen und unterhaltsamen Fluges landen wir in Kaliningrad, der russischen Enklave kurz vor der polnischen Grenze. Schmunzelten wir bereits in Irkutsk über den Flughafen, so erwartete uns hier doch noch einmal eine Steigerung. Die Abfertigungshalle nicht größer als der Warteraum eines gut besuchten Zahnarztes und Gepäckabfertigung per Sattelkipper. Entsprechend nervös sind wir, als unsere Radkartons nach einer Stunde noch immer nicht auftauchen. Lange Diskussionen und eine kleine Odyssee über den überschaubaren Flughafen führen uns schließlich zu unseren unversehrten Rädern.Nach weniger als einer Stunde Montage sind wir wieder startklar und machen uns auf den Weg ins Stadtzentrum von Kaliningrad.


Pappelalleen, Kopfsteinpflaster und verputzte Häuser mit Ziegeldach geben uns das sichere Gefühl, uns in großen Schritten der Heimat zu nähern. Vom deutschen Erbe ist im alten Königsberg heute nicht mehr viel zu sehen, dennoch wirkt die Stadt sehr europäisch, modern und quirlig. Wir haben nur einen Tag Zeit, suchen nach Gaskartuschen und machen uns auf den Weg zur polnischen Grenze, da in wenigen Stunden unser Visum ausläuft. Die russisch/polnische Grenze erweist sich bald als ähnlich schwierig wie zuletzt die mongolisch/russische. Man will uns nicht mit den Rädern die Grenze passieren lassen. Auf die Frage „Warum?“ erhalten wir lediglich ein sprödes „Darum!“. Der Zufall will es, dass ein großer polnischer Reisebus direkt hinter uns steht, dessen netter Fahrer uns und unsere Räder spontan in seinen Bus lädt und uns über die Grenze chauffiert.Erleichtert nehmen wir dort zur Kenntnis, dass wir uns jetzt wieder auf dem Gebiet der europäischen Union befinden.

Die letzten 1000km durch Polen werden für uns noch einmal zu einer stimmungsvollen und ausgesprochen gut gelaunten Fahrt durch dichte Alleen, wunderschöne Seenlandschaften und malerische Dörfer. Immer wieder fühlen wir uns in unserer Entscheidung bestätigt, die letzten Kilometer mit dem Rad zurückzulegen. Kilometer für Kilometer gewöhnen wir uns mehr an den Gedanken, nach Deutschland heimzukehren.
Wir genießen noch einmal die Landschaft, die perfekten Straßen und die herrlich melancholische Stimmung des Herbstes. Die wunderschöne Landschaft hält allzuoft zum Verweilen an, aber unser gesetzter Zeitplan steht. Und so müssen wir weiter, in langen Etappen von 150-160 km am Tag. Die Landschaft, die Zeit und die Erinnerung fliegen indes an uns vorbei, für uns noch immer viel zu schnell, obwohl wir mit dem Rad unterwegs sind.









Ein letzter Stop an der kühlen Ostsee und dann geht es heimwärts, unaufhaltsam Richtung Heimat.



Auf den letzten Kilometern fahren wir beide mit einer Gänsehaut unserem Tourende entgegen im ständigen Wechsel packt uns Vorfreude, Wehmut und Beklemmung angesichts des bevorstehenden Endes unseres nun 7monatigen Abenteuers.
Wie lange werden wir die Eindrücke und die Freude wach halten können, Gelassenheit und Ruhe in den Alltag retten können?
An der Berliner Stadtgrenze machen wir uns bereit für unsere Zieleinfahrt, wir ahnen noch nicht was uns dort erwarten wird...



Der Empfang
Bereits ab dem Adlon werden wir von Rasseln begleitet, fahren nebeneinander in emotionaler Auflösung einem Empfang entgegen, wie man ihn sich nach einer solchen Reise nicht begeisterter und herzlicher vorstellen kann. Unsere Familien und Freunde haben am Brandenburger Tor für Volksfeststimmung gesorgt.
Wir sind beide überwältigt ...




1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo Ihr beiden es war sehr schön euch so strahlen und gesund wieder zu sehen es war ein schönes Erlebnis vielen Dank auch noch für die nette Bewirtung wir hören und sehen uns bestimmt bald wieder.
Gruß Bärbel