Mittwoch, 23. Mai 2007

Sosidei Kambodscha!

Wer an Kambodscha denkt, der denkt an Angkor Wat. Es ist nicht nur das praegende Wappen der kamboschanischen Flagge, sondern auch die bekannteste und meistbesuchte Sehenswurdigkeit Kambodschas. Die Anlage ist tatsaechlich sehr beeindruckend und nicht umsonst Weltkulturerbe und erhaelt daher von uns auch den gruenen Hanimas verliehen.
Dennoch wirken Siem Reap und Angkor Wat wie eine kuenstliche luxurioese Insel im rueckstaendigen Kambodscha. Zurecht werben Tourismusbroschueren mit "Stay a Day longer" um mehr Aufmerksamkeit. Dieses Land der harten Kontraste hat weit mehr zu bieten als tausend Jahre alte Ruinen.
Aber der Reihe nach...
Am Grenzuebergang Poipet von Thailand nach Kambodscha betraten wir eine andere Welt. Wir hatten viel gehoert und gelesen ueber die Strassenverhaeltnisse in Kambodscha, doch was wir hier vorfanden ueberstieg unsere Vorstellungskraft. Die Piste nach Sisophon kostet uns einige Kraft und Nerven. Wir kassieren die eine oder andere Schlammdusche und sind heilfroh als wir Sisophon erreichen. Die erste echte Herausforderung fuer uns und unser Material. Und doch sollte es noch haerter kommen - doch dazu spaeter mehr.
Wir bogen in Sisophon nach Sueden Richtung Batambang ab und fanden hier eine passable Asphaltstrasse durch die "Reisschuessel Kambodschas" vor.
Auf halber Strecke suchten wir wieder einmal fuer die Nacht Zuflucht in einem Tempel, stellen uns ordnungsgemaess beim "Big-Monk" vor und kommen in der Huette einer Gruppe internierter Jugendlicher unter, mit denen wir am Abend bei Oellampen Khmer Volkslieder einstudieren und dazu Mangos und Chilipulver snacken.Von Batambang nehmen wir ein Boot nach Siem Reap, um weitere Strassenfolterungen zu umgehen. Doch auch diese Flussfahrt wird abenteuerlicher als erwartet. In einem viel zu grossen Boot schiessen wir die Stromschnellen des viel zu schmalen Stung Sangker hinunter zum Tonle Sap. Die Fahrt bietet neben jeder Menge waghalsiger Fahrmanoever einen faszinierenden Einblick in das Leben der Menschen am Fluss.Durch die Meander des Stung Sangker geht es vorbei an unzaehligen schwimmenden Huetten, Fischerfloessen, schwimmenden Schulen und Kirchen und endlosen Reisfeldern bis sich nach etwa 50-60 km der Fluss in einem breiten, von unzaehligen Wasservoegeln und Seerosenteppichen besiedelten Delta oeffnet und in den Tonle Sap ergiesst. Die Fahrt wird ruhiger und das Wasser flacher und flacher...
bis gar nichts mehr geht.
Der Tonle Sap ist mehr ein Sumpf als ein See. Er wird waehrend der Regenzeit vom Rueckstau des Mekong gespeist und erreicht zum Ende der Regenzeit das Fuenfache seiner Minimalgroesse. Aber eben zum Ende der Regenzeit...
Also stecken wir fest im metertiefen Schlamm. Das Passagiere beobachten zuerst die aussichtslosen Versuche der Crew, das Boot wieder in die kaum erkennbare Fahrrinne zu schieben... dann fallen die Blicke auf uns. Also schieben wir eine kurze Extra-Trainingseinheit ein und steigen in den See, wo wir sofort huefttief im Morast versinken.
Letztlich bekommen wir das Boot frei und erreichen klurz vor Einbruch der Dunkelheit Siem Reap. Von dort aus starten wir eine kleine Odyssee nach Norden durch das bitterarme laendliche Kambodscha.
Von Strassen koennen wir ab hier nicht mehr sprechen, eher von Schlammgruben. Wir haben das "Glueck", just in Kambodscha einige Regentage zu erwischen und so lernen wir viel ueber die Qualitaeten verschiedener Sand- und Lehmarten als Strassenbelag und Ketten-Additiv. Das Knirschen der Kette, das jedem Fahrradmechaniker eine Gaensehaut auf den Ruecken zaubert, wird uns noch einige Zeit in den Ohren nachhallen. So wie die Eskimos 50 Woerter fuer Schnee haben, so muessten die Kambodschaner mindestens 50 Woerter fuer "schlechte Strasse" haben, denn diese Vielfalt unbefahrbarer Wege haben wir noch nirgends erlebt. Waehrend eines Regengusses verwandelt sich die harte Lehmdecke schrittweise in eine klebrige Schlammgrube. Die oberste Lehmschicht hebt sich zentimeterdick ab, wickelt sich um die Reifen und klebt von nun an fest bis zum Sattel am gesamten Rahmen. Faustgrosse Lehmklumpen an allen Bremsen machen eine Weiterfahrt unmoeglich.
Was fuer uns ein aufregendes Abenteuer ist, ist fuer die Bevoelkerung hier harter Alltag. Waehrend der Regenzeit versinkt das Land im Schlamm, die Bevoelkerung kaempft mit schlechter Versorgung, Malaria und verminten Feldern.
Und doch haben die Menschen fuer uns Pharangs immer ein Laecheln und wenn noetig auch ein Dach uebrig. Beeindruckend.

Leitgedanke des Monats:
Haetten wir eine Ahnung, wie gut es uns geht, wir koennten unser Glueck gar nicht fassen.

14 Kommentare:

Jack hat gesagt…

Um weiteren Missbrauch unseres Blogs fuer illegale Wettrennen vorzubeugen, schreibe ich heute mal den ersten Kommentar selbst: Wir freuen uns ueber das grosse Interesse an unserem Blog und bemuehen uns um regelmaessige Eintraege, auch wenn die Internetzugaenge manchmal spaerlich gesaet und sehr langsam sind.
Besondere Gruesse gehen heute an die Zuschauer in Hamburg, Dresden und Grossrudestedt :)

Anonym hat gesagt…

Auch ich freue mich immer besonders ueber die Kommentare aus Potsdam, Werder, Rostock, NB und Berlin... - ruhig mehr davon.
Und nicht, dass alle immer nur denken, wie schoen wir es hier haben. Auch bei uns gibt es entbehrungsreiche Zeiten. Besonders wenn wir an die heimische Spargelsaison, die Erdbeeren und das Grillen am See denken, wissen wir wieder genau was auf uns zu Hause wartet ;-)...
Marco(Polo) aus dem Sattel in Laos!

Anonym hat gesagt…

So aehnlich haben wir uns Eure Reise vorgestellt. Wir wuenschen Euch weiter viel Optimismus, Kraft, Ausdauer und Mut.
Herzliche Gruesse
Uschi und Achim

Anonym hat gesagt…

Nun seid mal nicht so traurig, wegen dem verpassten Spargel.
Wir haben ja auch bald den Johannestag und dann muessen auch wir wieder auf andere Fluessigkeitsquellen zurückgreifen. Inzwischen sind auch die Süsskirschen bald reif u es grault mir schon davor, die alle vom Baum holen zu muessen.
Zumal die Hilfe ja im fernen Asien umherradelt....

Anonym hat gesagt…

Schön zu sehen, dass ihr beiden großen Jungs noch so viel Freude an Modderpampe habt. Eure Fahrräder scheinen diese Freude wohl nicht zu teilen, denn die Ketten knirschen ja schon.
Liebe Grüße aus Werder und gute sowie knirschfreie Weiterfahrt.

Bärbel hat gesagt…

Seit doch nicht traurig das Ihr keinen Spargel essen könnt. Das was Ihr da macht kann man garnicht mit Spargel auf wiegen. Aber man weiß ja wer den anonymen Brief geschrieben hat. Man kennt ja schon seine Spassmacher die sowas schreiben.
Lieben Gruss Bärbel aus Hamburg

Anonym hat gesagt…

Den kenne ich allerdings auch.
Es ist wohl der Enkel seines Opas.

Anonym hat gesagt…

Aber vielleicht sollte man hier nicht so sehr von Spargel und Erdbeeren schwaermen, die man ja zu dieser Zeit in großen Teilen Deutschlands sehr guenstig bekommt. Sonst meldet sich nachher noch das Tal der Ahnungslosen und jammert, dass man die Schnitzel dort mit Mischgemuese aus der Dose essen muss, Grillfleisch ohne Ketschup genossen wird und Erdbeeren nur unter dem Ladentisch liegen. Aber hier ein kleiner Trost für Euch: Dafuer habt ihr ja die schoenen Berge naeher und wenn es lange regnet... (nee das ist zu gemein) Also trotz Loeschung meines urspruenglichen Spargel-Kommentars: Weiterhin viel Spaß. Bleibt gesund. Esst keine komischen Sachen, sonst sitzt es sich u.U. schlecht auf dem Sattel. Der Verzehr von Cay Huong, Nhim, Dui Rung und Ky Da ist ausserdem verboten. Also denkt immer daran: Hoc an, hoc noi!! In diesem Sinne...

Anonym hat gesagt…

schön, wieder von euch zu hören und ganz liebe grüße aus dem sommerlichen Potsdam. Die Bilder sind fantastisch und lassen ein Schmunzeln auf das Gesicht - die Vorstellung wie eine abgekämpfte und verzweifelte Bootsmannschaft euch anschielt und zum Schlammbad zwingt ist herrlich! Hier hört man zur Zeit viel über Doping im Radsport - bleibt sauber!Wir sind auch stolz auf euch, wenn ihr nur 2. werdet :o) tina

Anonym hat gesagt…

Hallo Jack und Marco,
leider habe ich erst heute Euer "Sosidei Kambodscha" gelesen, ein ganz toller Bericht und wieder faszinierende Bilder.
Weiter gute Fahrt und möglichst nicht zu viel Schlamm !!
Wir freuen uns schon auf den nächsten Bericht.
EV und Wolfgang aus Dresden

Unknown hat gesagt…

So ein Regenwurm hat's gut,
so ein Regenwurm hat's fein
ach lass mich doch,
ach lass mich doch
ein Regenwürmchen sein.

Der Schlamm sieht gut aus, sind bestimmt ordentlich Vitamine und Mineralien drin. Den könnte man glatt in Containern nach Europa schiffen und in die einheimischen Thermaltempel kippen, dann hätten die Leute dort ein Problem weniger.
Wandlitzer Morekeckeck ist da leider viel zu grün und naturmiefig. Das man bei der Tour de France nun nicht mehr mit 10 Teller Nudeln am Tag ein neues Trikot gewinnt ist mittlerweile amtlich - bleibt lieber bei Chili und Ingwer, das ist gesünder. Kommt weiter so gut vorwärts !

Anonym hat gesagt…

Gleich zweimal treffen mich diese Woche diese wunderbaren Bilder aus Kambodscha(für alle: in Berlin gibt es derzeit eine Angkor-Ausstellung im Martin Gropius Bau!)...genießt sie, wie sie es nur könnt...es waren, trotz, aber zum Glück trockener Straßenbeläge, die bislang eindrucksvollsten Erlebnisse, die ich haben durfte...besonders das Lachen der Kinder klingt noch lange im Ohr (und tröstet vielleicht über das Knirschen der Kette hinweg)!
Gute Reise, Anja.

Anonym hat gesagt…

ps: würd´ man das boot nicht noch erkennen,
könnt´ man es glatt versaut benennen.
wie man es drehn und wenden kann,
es bleibt bei blähungen im schlamm.
:o) tina

Anonym hat gesagt…

13. Juni !! Heute kam der Kartengruß aus Kambodscha per Post, vielen lieben Dank !
Leider noch kein neuer Bericht im Rechner, wir hoffen, dass es Euch beiden gut geht und dass die Räder rollen (können).
Liebe Grüße aus Dresden
Ev und Wolfgang